Neulich sind wir auf eine interessante Seite gestoßen: http://speiseraeume.de
Der studierte Raumplaner Philipp Stierand bloggt hier über Lesenswertes rund um urbane Lebensräume und Ernährung.
Er schreibt: „Stadt und Ernährung sind zwei Begriffe, deren enge Verbindung sich in den letzten 100 Jahren aufgelöst zu haben scheint. Mit den Kuh- und Ziegenställen, den Küchengärten und den Schlachtbänke ist auch das Thema Ernährung aus den Städten verschwunden. Lebensmittel kommen vom Land, Ernährungspolitik wird irgendwo gemacht.
Die Verunsicherung der Verbraucher durch eine lange Reihe von Lebensmittelskandalen, die Diskussionen um den Klimawandel, sich verschärfende Umweltprobleme und die Volkskrankheit Fettsucht ändern dies gerade.
Es werden neue Anforderungen an die Lebensmittelversorgung formuliert: Vertrauen, Nachhaltigkeit, Gesundheit und Fairness. Mit diesen neuen Herausforderungen kehrt die Ernährungspolitik auf die städtische Ebene zurück.“
Sein sehr empfehlenswertes eBook gibt’s hier als kostenlos PDF, die Kurzfassung könnt Ihr hier lesen (vielen Dank an Philipp für die Genehmigung!):
Stadtentwicklung mit dem Gartenspaten: Umrisse einer Stadternährungsplanung
Rückkehr lokaler Ernährungspolitik. Im aktuellen, industriellen Ernährungssystem spielen regionale und lokale Versorgungsstrukturen keine Rolle mehr. Zusammen mit der Bedeutung des lokalen Ernährungssystems ist auch die städtische Ernährungspolitik verschwunden. Mit neuen Fragestellungen, dem Druck der Probleme auf der städtischen Ebene und dem Versagen des Marktes bei Umwelt- und Gesundheitsfragen ist eine neue Notwendigkeit für lokale Ernährungspolitik entstanden. Besonders in den USA wird die Stadtplanung als Teil dieser Politik verstanden.
Probleme städtischer Lebensmittelversorgung. Der gesellschaftliche Aufwand der Nahrungsmittelproduktion ist im Gegensatz zum individuellen Aufwand weiterhin hoch. Er wurde externalisiert und schlägt sich heute im Ressourcen- und Umweltverbrauch nieder. Gleichzeitig ist Fehlernährung ein Massenphänomen. Das zeigt sich besonders am Übergewicht – mehr als die Hälfte der Deutschen ist zu dick. Zudem hat Ernährung eine soziale Dimension: Ob sich jemand gesund oder ungesund ernährt, hängt auch vom sozialen Status und der Bildung ab.
Chancen des Ernährungssystems. Die Beschäftigung mit Ernährung kann Städten neue Entwicklungsperspektiven eröffnen. In der urbanen Landwirtschaft werden Mitwirkung und Mitbestimmung thematisiert, wird mit neuen Formen der Raumaneignung und -gestaltung experimentiert, werden neue Arbeits- und Lebensformen ausprobiert. Mit der Regionalisierung von Ernährungssystemen versuchen Verbraucher, Institutionen und Politiker, sich Einfluss auf die Lebensmittelversorgung zu sichern. Wenn es um Veränderungen im Ernährungssystem geht, wird zuerst an einen verantwortungsvollen Konsum appelliert. Doch für grundsätzliche Veränderungen ist der ganze Bürger gefragt: ein politischer Bürger mit zivilgesellschaftlichen Engagement, der das Ernährungssystem mitgestaltet – und eine Stadt, die dabei unterstützt und Rahmenbedingungen setzt.
Potenziale des Ernährungssystems für die Stadtentwicklung. Das Ernährungssystem gestaltet unsere Städte in sozialer, wirtschaftlicher und städtebaulicher Hinsicht mit. Die Potenziale einer Gestaltung des Ernährungssystems durch die Stadtplanung gehen weit über das Thema Ernährung hinaus, sie betreffen zentrale Stadtentwicklungsfragen. Stadtplanung kann nicht nur helfen, Probleme im Ernährungssystem zu lösen, sondern das Ernährungssystem kann als Instrument für Stadtentwicklung eingesetzt werden.
Ernährungsplanung für ein urbanes Ernährungssystem. Um die Entwicklung der Stadt zu fördern, nimmt Stadternährungsplanung durch räumliche und programmatische Maßnahmen gezielten Einfluss auf das Ernährungssystem. Die Aufgabenbereiche der Ernährungsplanung erstrecken sich von der Bestandsaufnahme über Entwicklung von Leitbild und Zielen, Aufgaben der Information, Koordination, Förderung bis zur räumlichen Planung. Die räumliche Planung kann das Thema Ernährung in eigenständigen Ernährungsplänen behandeln, Ernährung als eigenständiges Thema in übergreifende Planungen einbeziehen und bei Planungsentscheidungen berücksichtigen.