„Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden …“ – Berichte, die so oder in diesem Sinne beginnen, gehen meistens in die Hose. Und genau so war das letzte Woche bei vielen Medien, die eine Studie der Stanford University aufgriffen.
Auf Spiegel Online beispielsweise fand sich dieses Kleinod: „Eine neue Studie weckt Zweifel am Nutzen von Biolebensmitteln: Die sind nicht nahrhafter und kaum gesünder als herkömmliche Produkte. Der Vitamingehalt unterscheidet sich kaum, auch der Anteil von Fett und Proteinen ist ähnlich.“
Wahnsinn, wenn ich das lese, kann ich gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte! Zweifel am Nutzen von Biolebensmitteln?! Die klassische Reaktion des Mainstreams lautet auf so eine Meldung dann nämlich: „Aha, ja da sieht man mal wieder, dieses überteuerte Bio taugt eben doch nix.“
Die Redakteure sind natürlich nicht doof, hoffen auf Eskalation, spekulieren auf entsprechende Reaktionen und wissen selbst am Besten, dass es sich um polemischen Scheißdreckjournalismus handelt, weshalb kurz danach eine Art Gegendarstellung nachgeschoben wird.
Hier eine unvollständige Aufzählung, warum Bio eben schon etwas taugt*:
- Lebendige Böden sind faszinierende komplexe Gebilde und genau dort soll Gemüse wachsen und nicht auf Nährsubstraten in beheizten Gewächshäusern. Rund 250 Jahre vergehen, bis sich in unseren Breiten 1 cm Boden entwickelt hat. Der Mensch verbraucht im gleichen Zeitraum rund zehnmal soviel, wobei die Landwirtschaft dabei eine große Rolle spielt (–> mehr hierzu).
- Das weltweit eingesetzte Saatgut wird von einer handvoll Konzernen kontrolliert, zu deren Methoden ich mich an dieser Stelle nicht äußern möchte, da dies sicher zu justiziablen Äußerungen führen würden (Videotipp bzgl. Monsanto). Als vernachlässigbar kleine Gegenbewegung zu Hybridsorten wird im Bio-Bereich verstärkt auf samenfestes Saatgut gesetzt. Im ersten Jahr sind die Hybridsorten in Farbe, Form und Größe sehr einheitlich (wenn der entsprechende Kunstdünger verwendet wird) und bringen höhere Erträge (wenn die entsprechenden Spritzmittel verwendet werden). Jedoch kann von diesen Pflanzen für die weitere Vermehrung kein brauchbares Saatgut gewonnen werden. Aus ihren Samen entwickeln sich nämlich nur uneinheitliche, schwache Pflanzen – der Landwirt muss $aison für $aison wieder Saatgut, Dünger und Spritzmittel kaufen.
- Insektizide, Herbizide, Pestizide sind im Bio-Land- und -Gartenbau kein Thema (Stichwort: Neonicotinoide – Bienensterben durch systemische Pestizide), d.h. keine systematische Zerstörung von Leben, sondern es stellt sich ein Gleichgewicht mit Nützlingen ein. Erinnert Ihr Euch noch, wie Windschutzscheiben vor 20 Jahren ausgesehen haben, wenn man mal eine Stunde auf der Autobahn oder Landstraße gefahren ist? Die Insektenschicht musste man fast schon mit der Spachtel abkratzen. Heute klebt hier und da mal eine Mücke auf der Scheibe, mehr aber auch nicht – fragt Euch mal, warum das so ist.
- Der Verzicht auf prophylaktischen Einsatz von Antibiotika führt dazu, dass keine Resistenzen bei Krankheitserregern entstehen (die uns in Zukunft noch sehr zusetzen werden)
- Durch die Pflege der Böden, das vielfältige Saatgut und das Pestizidverbot wird die Artenvielfalt gestärkt. Noch nie in der Erdgeschichte (nein, auch nicht als die Dinosaurier ausstarben), gingen so schnell so viele Arten verloren, wie in den letzten 200 Jahren (–> Infografik zu Gemüse).
- Die Bio-Landwirte und -Gärtner, die ich kenne, erhalten als absolute Überzeugungstäter unseren Lebensraum.
Soviel also zu „Zweifel am Nutzen von Bio“. Ich könnte mich ja so aufregen …
PS: Vielen Dank an die taz für das Interview mit Graefe zu Baringdorf: „Gesünder ist Bio trotzdem“ und an die SZ für den Kommentar „Und der Bio-Apfel ist doch der bessere“.
*ja, auch im Biobereich gibt es negative Effekte und immer mehr Konsenssuppe auf dem kleinensten gemeinsamen Nenner.
Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden …… http://t.co/4R6oXTbp
Ich kann Deine Wut gut nachvollziehen. Der SPIEGEL ist längst zu einem besseren Klatschmagazin geworden. Aber die Information selbst ist nicht ganz unwichtig. Immerhin ist für 84% der Konsumenten „gesunde Ernährung“ ein Kaufgrund für Biolebensmittel ( http://de.statista.com/statistik/daten/studie/2419/umfrage/bioprodukte-gruende-fuer-den-kauf/ ). Das wird aus Werbegründen auch von Bioproduzenten immer wieder gerne so kommuniziert. Dabei ist es wohl wirklich Nepp. Die Gründe die Du aufgezählt hast, sind aber WIRKLICH sehr gute Gründe für ökologische Landwirtschaft und sollten endlich in das Zentrum der Argumentation rücken. Dann könnte man auch wirksamer gegen die Pseudo-Biolandwirte vorgehen, die Deinen letzten Punkt leider nicht beachten und aus Profitstreben Ökolebensmittel immer wieder in Mißkredit bringen.
hab mir gestern den BioBashingFrust von der Seele geschrieben: http://t.co/yDZr2WeY
RT @daniel_ueberall: hab mir gestern den BioBashingFrust von der Seele geschrieben: http://t.co/yDZr2WeY
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Sehr schön: RT @daniel_ueberall: hab mir gestern den BioBashingFrust von der Seele geschrieben: http://t.co/VnnE0UcM
Lieber Fruchtzwerg,
die gesünderen Lebensmittel sind eben kein Nepp, wenn Du diese vom Biohof Deines Vertrauens um die Ecke holst. Die Information, die nicht ganz unwichtig sein soll, ist an sich keine Information. Es kommt nicht darauf an, welche Vitamine, wieviel Fett und/oder Proteine das jeweilige Gut hat. Gesunde Lebensmittel haben in erster Linie etwas mit der Art und Weise der Erzeugung zu tun. Was da in der Werbung der klassischen Landwirtschaft dann eben fehlt, ist die Erhlichkeit zu sagen, mit welchen Pflanzenschutzmitteln, Düngern usw. gearbeitet wurde und welche Auswirkungen dies auf die Ernte hat, um nur mal ein Beispiel zu nennen, Der Nepp ist eher, dass der überwiegende Teil der Leser auf solche ‚Informationen‘ hereinzufallen scheint. Die statistisch gewünschte ‚gesunde Ernährung‘ ist also keine Frage der Werbung, der ‚Informationen‘ im Spiegel sondern ganz einfach gute, alte biologische Handarbeit. Wenn Du ganz sicher gehen willst, fahre zum Hof Deines Vertrauens und frage vor Ort nach. In den überwiegenden Fällen wird Dir dort auch gern gezeigt, wie und was dort getan wird.
Viele Grüße
P.S.: Guter Artikel, Daniel! Wenn ich mal wieder in München bin, besuche ich Euch.